Regeln für Bessere Workflow-Systeme: Wir sind soziale Wesen. Und die üblichen Regeln gelten weiterhin.

Systeme mit Workflow-Charakter sind häufig, sie könnten aber aus Nutzer:innen-Sicht oft menschlicher und effizienter sein. Dazu haben wir, basierend auf strukturierten Beobachtungen, einige einfache Regeln aufgestellt Timo Würsch,
  • In Kundenprojekten beschäftigen wir uns regelmässig mit Systemen, die Workflows abbilden. Sie haben zwei Gemeinsamkeiten: Erstens koordinieren sie, wer wann was macht, und zweitens sind sie oft nicht so hilfreich, wie sie es gerne wären.

    Um für das Design von Workflow-Systemen eine konzeptionelle Grundlage zu haben, haben wir die die folgenden Regeln zusammegestellt. Sie basieren auf strukturierten Beobachtungen von ca. 35 Nutzerinnen und Nutzern, die wir im Rahmen von mehreren Kundenprojekten durchgeführt haben.

    Workflow-System, oder: Wer wann was macht.

    Der Begriff "Workflow-System" ist wohl passend, aber frei erfunden. Wir verstehen darunter ein Informationssystem, welches Menschen dabei unterstützt, definierte Arbeitsschritte kollaborativ und in einer gewissen Reihenfolge zu erledigen.

    Ein solches System beinhaltet:

    • Aufgaben
    • Personen, denen die Aufgaben zugeteilt werden
    • Und Workflows, die die Aufgaben in eine Reihenfolge bringen und den Personen zuteilen

    Eine ganze Reihe von Systemen fällt in diese Kategorie - sowohl solche, die bewusst für Workflows konstruiert sind, wie auch solche, die dafür zweckentfremdet werden.

    Regel 0: Wir sind soziale Wesen. Und die üblichen Regeln gelten weiterhin.

    Die wichtisten Resultate aus unseren Beobachtungen:

    1. Wir sind soziale Wesen. Das System muss die Menschen, die zusammenarbeiten, füreinander sichtbar machen.
    2. Die üblichen Regeln für gutes Design gelten weiterhin, wie zum Beispiel die klassischen Heuristiken zum User Interface Design.

    That's it. Wer die Details kennen möchte, liest gerne weiter.

    Regel 1: Menschen sichtbar machen

    Ein Workflow-System bildet zwischenmenschliche Interaktion ab. Es muss deshalb die Menschen, die zusammen arbeiten, füreinander sichtbar machen. Wenn wir beobachtet haben, dass das System das nicht tut, hatte das immer dieselben Folgen: Unsicherheit und Rückfragen. Mitarbeiter:innen nutzen Telefon oder Mail (beides Kanäle neben dem eigentlichen System), um zu erfahren, wer denn für eine Aufgabe verantwortlich sei, oder ob die Aufgabe überhaupt korrekt zugewiesen ist.

    Konkret heisst das, dass ein Workflow-System folgendes können muss:

    • Anzeigen, wer an welcher Aufgabe aktuell arbeitet
    • Anzeigen, wer an einer Aufgabe zuvor gearbeitet hat
    • Anzeigen, was passiert, wenn ich meine Aufgabe abschliesse (und unter welchen Bedingungen).
    • Innerhalb eines Workflows anzeigen, welche Person welche Aufgabe standardmässig erledigt

    Wichtig: Bei einem Workflow-System müssen wir in der Regel zwei verschiedene Nutzergruppen berücksichtigen, weil sie unterschiedliche Ziele haben: Den oder die "Sachbearbeiter:in" und das "Management" (aus Mangel an besseren Begriffen). Mehr dazu gleich.

    Regel 2: Sachbearbeiter:innen brauchen Orientierung und Steuerung

    Das System muss Sachbearbeiter:innen darin unterstützen, Aufgaben zu komplettieren. Es muss den Workflow aufzeigen, und ermöglichen, den Workflow zu steuern. Tut es das nicht, haben die Nutzer:innen Schwierigkeiten, Verantwortlichkeiten und Abfolge der Aufgaben zu erlernen und sind schnell auf Hilfe angewiesen, führen Schattensysteme, nutzen Workarounds (z.B. Abbruch und Neustart) oder machen Fehler. Diese Gefahr besteht speziell bei Gelegenheitsbenutzern.

    • Das System muss dem oder der Sachbearbeiter:in zeigen, was er oder sie machen muss, um eine Aufgabe abzuschliessen. Wenn es sich bei einer Aufgabe um ein Formular handelt, gelten die üblichen Prinzipien zum Formulardesign.
    • Der oder die Sachbearbeiter:in benötigt in der Regel eine Übersicht über seine oder ihre nächsten Aufgaben. Das ermöglicht Planbarkeit und Priorisierung.
    • Sehr hilfreich für den Sachbearbeiter ist in unserer Erfahrung die Historie einer Aufgabe: Sie ermöglicht es, Entscheidungen und Problemlösungen nachzuvollziehen.
    • Zudem muss das System die flexible Steuerung von Aufgaben ermöglichen. Dazu gehören:
      • Eine Stellvertretung einrichten (ganz wichtig!)
      • Die Aufgabe weiterleiten
      • Die Aufgabe zum vorherigen Sachbearbeiter zurückweisen
      • Eine weitergegebene Aufgabe wieder zu sich selbst zurücknehmen
      • Die Aufgabe überspringen
      • Den Workflow abbrechen

    Regel 3: Statusübersicht, Reporting und Eingriffsmöglichkeiten für das "Management"

    Das "Management" (bzw. jede:r Nutzer:in in einer solchen Rolle) benötigt in der Regel drei Dinge: Sicht des aktuellen Status, Klassische Reporting-Funktionen und (meist nur punktuell) die Möglichkeit, direkt einzugreifen. Wir konnten beobachten, dass es zu regelmässigen Rückfragen, Status-Meetings und manuellem Reporting führt, wenn Statusübersicht oder Reporting fehlen. Fehlt zudem die Eingriffsmöglichkeit, kann man den Workflow nicht an kurzfristig geänderte Gegebenheiten anpassen, und Aufgaben bleiben hängen.

    Deshalb muss das System:

    • Aufzeigen, wem aktuell welche Aufgabe zugeordnet ist. Dazu gehört auch die Wahl von aussagekräftigen Statusnamen, die sowohl aus einer Management- wie auch aus einer Sachbearbeiter:innen-Sicht Sinn machen.
    • Reporting ermöglichen, z.B. zur Analyse der Statusverteilung, von Durchlaufzeiten, Rückfragen und nicht abgeschlossenen Aufgaben.
    • Eingriffsmöglichkeiten bereitstellen. Das sind üblicherweise dieselben Steuerungsmöglichkeiten wie für Sachbearbeiter:innen.

    Regel 4: Integrierte Kommunikation ermöglichen

    Zusammenarbeit bedeutet immer Kommunikation. Wir haben beobachtet, dass die Kommunikation auf Nebenkanälen wie E-Mail oder Telefon stattfindet, wenn das System keine integrierte Kommunikationsmöglichkeit bereitstellt. Auf diese Weise ist nicht mehr nachvollziehbar, was besprochen und entschieden wurde. Das führt zu Rückfragen und dazu, dass sich Fehler wiederholen.

    Deshalb soll das System...

    • ...integrierte Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, z.B. mit einer Kommentarfunktion. Diese zeigt den Kommunikationsverlauf zwischen allen Beteiligten über den gesamten Workflow hinweg, im Zusammenhang mit Status- und Zuweisungsänderungen.
    • ...die Kommunikation so öffentlich wie möglich halten: Standardmässig sollen alle Kommentare für alle Beteiligten sichtbar sein.
    • ...weitere Kommunikationsmöglichkeiten erleichtern, z.B. das Versenden von Mail-Benachrichtigungen und Teilen von Links auf Aufgaben oder Ansichten. Sehr hilfreich ist es auch, wenn das System E-Mails empfangen und der korrekten Aufgabe zuordnen kann.

    Regel 5: Auf die Aufgaben fokussieren

    In den Workflow-Systemen, die wir untersucht haben, konnten wir zwei verschiedene Ansätze zur Informationsarchitektur beobachten. Der erste Ansatz fokussiert auf die Aufgabe, der zweite auf die Arbeitsobjekte:

    workflow-ia-fokus-aufgabe-vs-objekte

    Zur Frage, welcher dieser beiden Ansätze verständlicher ist, konnten wir noch keine vergleichende Beobachtung machen. Wir vermuten, dass der Aufgaben-Fokus besser funktioniert. Grund: Eine Aufgabe beinhaltet ein konkretes Nutzer-Ziel. In der Regel ist das Ziel für den oder die Nutzer:in wichtiger als die Objekte, mit denen er oder sie auf das Ziel hinarbeitet.

    Regel 6: Nicht alles ist ein Workflow

    Selbst wenn jede Zusammenarbeit als Abfolge von Aufgaben gesehen werden kann, heisst das nicht, dass ein Workflow das passende Werkzeug für diese Zusammenarbeit ist. Workflows geben Schritte und Reihenfolge vor. Beides kann den oder die Nutzer:in unterstützen, ihm oder ihr aber auch im Weg stehen. Insbesondere sollte es auch innerhalb eines Workflows möglich sein, dass Nutzer:innen die Daten im System so direkt wie möglich verändern können.

    Deshalb:

    • Workflows nur einsetzen, wenn sie Sinn machen. Um das herauszufinden, hilft Nutzerforschung und Prototyping des workflows, z.B. mit Post-Its (User Story Mapping)
    • Der Workflow muss die korrekte "Flughöhe" haben. Ist der Workflow zu grob, verliert er die Eigenschaft, den Benutzer zu führen. Ist er zu detailliert, wird er zum Hindernis (siehe dazu das Stichwort "Überstrukturierung" in unserem letzten Artikel).
    • Nutzer:innen müssen im System Daten direkt, d.h. ausserhalb eines Workflows, manipulieren können, falls sinnvoll.
    • Wizards nur gezielt einsetzen: Wizards sind kleine Workflows. Hier gilt dasselbe: Sie können unerfahrene Benutzer leiten, aber stehen erfahrenen Benutzern im Weg.

    Regel 7: Bei Fragen einfach fragen

    Wer beim Design eines Workflow-Systems auf diesen Regeln aufbaut, unterstützt seine Nutzer:innen schon sehr gut. Und sonst: Wir helfen Ihnen mit unseren Dienstleistungen gerne weiter. Melden Sie sich jederzeit. Per Telefon oder E-Mail.